Ansprache anläßlich der Einweihung des Karl Weber Hauses am 26. August 2000
 
Justizrat Dr. Karl Eichele
 
Rechtsanwalt
 
   
Karl Weber - Haus
 
Liebe Frau Reinartz, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Nutzer des Hauses Bahnhofsplatz 7, sehr geehrte Koblenzer Mitbürger und liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
das Haus Bahnhofsplatz 7 soll einen neuen Namen erhalten - es soll nach dem ersten Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Koblenz heißen: Karl Weber Haus. Vier Jahrzehnte hat Toto-Lotto Rheinland-Pfalz dieses Gebäude genutzt - und ihm seinen Namen gegeben. 1993 hat das Versorgungswerk der Rechtsanwälte Rheinland-Pfalz das Grundstück gekauft: Alle Anwälte in Rheinland-Pfalz sind seit 1985 gesetzlich zusammengeschlossen, um in eigener Verantwortung für ihr Alter, für eine Berufsunfähigkeit wie ihre Hinterbliebenen vorzusorgen. Dazu werden einkommensbezogen Beiträge wie an die BfA eingezahlt, die zinsbringend anzulegen sind, um die spätere Versorgung zu sichern. Als solche Geldanlage hat das Versorgungswerk dieses Haus erworben; es ist unter Beachtung des Denkmalschutzes wie Anforderungen an moderne Nutzung und Ästhetik grundlegend saniert und ausgebaut worden einschließlich eines Drittels des angebauten Turmes. Die Arbeiten sind abgeschlossen die Umgebung neu gestaltet. Wir sind stolz, an der Verschönerung von Koblenz mitgewirkt zu haben die Tiefgarage, das Platzgebäude haben wir gemeinsam mit dem Versorgungswerk der Zahnärzte in Rheinland-Pfalz errichtet. Von der äußeren Erscheinung und vom Besitzer her kann von einem Toto-Lotto-Haus nicht mehr gesprochen werden. Die Rechtsanwälte haben Anlaß, das Haus auf den Namen von Karl Weber zu taufen, einen Mann, der
 
- bei den Anwälten einen großen Namen hat,
- für die Stadt Koblenz wie die allgemeine Politik viel getan hat.
 
Es gilt, an diese Persönlichkeit zu erinnern, die den Älteren unter uns ein Begriff ist. Ich freue mich, daß seine Tochter, liebe Frau Reinartz, mit zwei Söhnen anwesend ist - und dieser Benennung zugestimmt hat.
Warum haben die Rechtsanwälte Anlaß, des Mannes Karl Weber zu gedenken, der 1898 in Arenberg als Sohn eines Landwirts geboren wurde und bis 1985 in Koblenz lebte?
Karl Weber wurde 1924 als Rechtsanwalt zugelassen und wirkte als Rechtsanwalt hier mehr als 60 Jahre. Da er Soldat in beiden Weltkriegen war, mußte er seine Praxis ab 1945 neu aufbauen - mit 47 Jahren, als Koblenz in Trümmern lag. Für mich ist ein solcher Gedanke immer wieder Anlaß zur Dankbarkeit, daß wir seit 55 Jahren Frieden haben und für uns alle hier unser persönliches und berufliches Leben nicht durch Kriege zerstört wurden. Karl Weber hat sich nach 1945 nicht darauf beschränkt, die eigene Praxis wieder aufzubauen und nur für sich zu sorgen. Er hat seine Kraft - und die hatte er, Herr Kollege Hieronimi sprach zur Feier seines 80. Geburtstages davon, daß Herrn Dr. Karl Weber bereits in seiner Jugend nachgesagt wurde, er habe "Mackes" - der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Dazu gehörten die Anwälte: Er war es, der nach entsprechender Genehmigung der Besatzungsbehörden zur ersten Versammlung der Rechtsanwälte Anfang 1947 einberufen hat. Er wurde auf dieser Versammlung am 06. Februar 1947 zum ersten Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Koblenz gewählt - und behielt dieses Amt unangefochten bis 1975 - also bis zum Alter von 77 Jahren.
 
In diesen 28 Jahren hat er die Kammer geprägt, die alle Rechtsanwälte im nördlichen Rheinland-Pfalz erfaßt; er hat unser Ansehen und das unseres Standes durch seine Persönlichkeit gestärkt. Aufgrund seines Ansehens und seines politischen Könnens wurde er 1967 Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer war damit der Repräsentant aller deutschen Anwälte für 7 Jahre. Sein Können und seine Kraft hat er nicht nur den gesetzlichen anwaltlichen Körperschaften gewidmet; er war im Verein der Rechtsanwälte Koblenz mehr als 20 Jahre im Vorstand, über viele Jahre Vizepräsident im Deutschen Anwaltverein, der ihm die seltene Ehrung der Hanns-Dahs-Plakette 1975 verlieh und ihn zum Ehrenmitglied machte.
 
Selbstverständlich ist er auch Ehrenpräsident unserer Kammer geworden; der Ministerpräsident hat ihm wegen seiner besonderen Verdienste bereits 1949 den Ehrentitel des Justizrats verliehen eine Besonderheit, - die nur das Saarland und Rheinland-Pfalz kennen.
 
Diese äußeren Anerkennungen und Positionen spiegeln wieder, was dieser äußerlich kleine aber kräftige Mann an unglaublichen Leistungen erbrachte: Er war in seiner Art liebenswürdig, verfolgte sein Ziel mit Geschick und Hartnäckigkeit. Zeit brachte er für jeden auf, der Recht oder Hilfe suchte. Da er nicht nur als Rechtsanwalt tätig war, sondern seine politischen Ämter voll ausfüllte, konnte er diesen Rat nicht immer zu geschäftsüblicher Zeit erbringen. Ich erinnere mich, daß er Mandanten für die Zeit nach Mitternacht bestellte - dann war die Tagesarbeit vorbei und seine treue Sekretärin, Frau Kärtkemeyer, die Schwester eines Schulkameraden, war selbstverständlich noch im Büro in der Lennéstraße. Er war eben der "Anwalt nach allen Richtungen", wie Kollege Hieronimi ihn bei der Feier des 80. Geburtstages treffend charakterisierte. Als überzeugter Rheinländer bekannte er sich zu der Losung der preussischen Könige "Ich dien".
 
Es haben aber nicht nur die Anwälte Anlaß, heute eines verdienten Koblenzers zu gedenken: Er hat mit Peter Altmeier im Jahre 1945 die CDU in Rheinland-Pfalz mit gegründet, nachdem er seit jungen Jahren Mitglied des Zentrums gewesen war. Er wurde 1949 in den ersten Bundestag gewählt und war 16 Jahre Bundestagsabgeordneter. Er blieb nicht einfaches Mitglied, sondern war von 1953 bis 1961 der Vorsitzende seines Rechtsausschusses. Unter seiner Leitung und seinem maßgeblichen Einfluß entstand 1959 die Bundesrechtsanwaltsordnung, das Gesetz, das die Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts regelt. Karl Weber konnte eine weitgehende Selbstverwaltung der Anwälte durchsetzen in der Rechtsanwaltskammer und mit einer eigenen Berufsgerichtsbarkeit. Als Höhepunkt und Abschluß seiner beruflichen Tätigkeit war er im Jahre 1965 Bundesminister der Justiz. Ich war als junger Jurist kurze Zeit später im Bundesjustizministerium und weiß von den Kollegen dort, wie sehr die menschliche Würde und der praktische Verstand dieses Mannes dort anerkannt wurden.
 
JR Dr. Karl Weber hatte durch seinen Anwaltsberuf gerade in der Politik eine äußere und innere Unabhängigkeit, die man sich in der heutigen Gesellschaft und Politik oft wünscht. Aufbaujahre fördern außergewöhnliche Kräfte und Menschen. Karl Weber hat sich vielfältigen anderen Aufgaben ebenso gestellt, die über den Anwalt und Politiker weit hinausgehen: So hat er für viele Jahre das Musikleben von Koblenzer mitbestimmt - als Intendant des Musikinstituts.
 
Dr. Karl Weber war eine tatkräftige und erfolgreiche Persönlichkeit. Er war stark - er hat schwere Schicksalsschläge in gläubiger Haltung ertragen. Er hat nach einer Kehlkopfoperation viele Jahre seinen Beruf stimmlos ausgeübt; das ist schon für eine junge Person mehr als anstrengend. Sie, liebe Frau Reinartz, haben 1985 nach langer Pflege innerhalb weniger Monate den Ehemann, die Mutter und diesen großen Vater verabschieden müssen.
 
Karl Weber hat als langjähriger Kollege, Kammerpräsident und Politiker die Ehrung verdient, daß nach ihm dieses markante Haus in einem neuen Zentrum von Koblenz benannt wird. Das ist eine späte Ehrung durch die Anwaltsversorgung nach einem seinerzeit erfolglosen Kampf von Karl Weber um die Einführung der Altersversorgung: Er hatte als Politiker und Kammerpräsident erreicht, daß bereits 1965 Rheinland-Pfalz ein Gesetz zur Gründung einer Anwaltsversorgung erlassen hat. Die jahrelangen Bemühungen von Karl Weber und seines unermüdlichen Stellvertreters, JR Dr. Heim, haben allerdings seinerzeit nicht das Einverständnis der Kollegen gefunden. Diese waren 1966 nicht bereit, die Auflage des Gesetzgebers zu erfüllen, neben den aktiven Anwälten auch diejenigen Kollegen zu versorgen, die durch den Krieg und seine Folgen (Vertreibung, Kriegsgefangenschaft) nicht wieder Fuß fassen konnten und deshalb auf eine öffentliche Versorgung angewiesen waren. Für das neue Gesetz 1985 gab es diese Nachkriegsprobleme nicht mehr. Wir können mit Stolz auf 15 Jahre Aufbauarbeit und ein wachsendes Vermögen schauen, eine Arbeit, die wir Herrn Kollegen JR Stamp verdanken, der seit der Gründung das Versorgungswerk führt. Die Genugtuung, ein wirtschaftlich gesundes Versorgungswerk zu besitzen, verbinden wir mit dem Dank an jenen Mann, der die Entwicklung der Anwaltschaft nach 1945 maßgeblich geprägt hat und der ein vielfach um das Leben unserer Stadt verdienter Rechtsanwalt gewesen ist. Zu seiner Erinnerung und unserer Ehre soll deshalb dieses Haus den Namen führen
 
Karl Weber Haus.