Europäische Verträge (Montanunion und Euratom)
Montanunion, Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Abkürzung EGKS, die erste supranationale europäische Organisation mit eigenen Souveränitätsrechten.
Auf Anregung des französischen Außenministers Robert Schuman (Schuman-Plan) unterzeichneten die Gründerstaaten Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande in Paris am 18. 4. 1951 den EGKS-Vertrag, der am 23. 7. 1952 in Kraft trat (Laufzeit bis zum Jahre 2002).
Ziel des Vertragsschlusses war, die Erzeugung von Kohle und Stahl auszuweiten und durch Steigerung der Produktivität der Montanindustrie zur Hebung des allgemeinen Lebensstandards in den Mitgliedstaaten beizutragen. Zu diesem Zweck verpflichtete der Vertrag die Mitgliedstaaten, auf mengenmäßige Beschränkungen des Warenverkehrs, die Erhebung von Zöllen und die Diskriminierung von Erzeugern und Verbrauchern von Kohle und Stahl zu verzichten sowie die Freizügigkeit der Bergleute und Metallfacharbeiter zu ermöglichen. Am 10. 2. 1953 wurde der Gemeinsame Markt der Montanunion-Staaten für Kohle, Eisen und Schrott errichtet, der am 1. 5. 1953 auch auf Stahl ausgedehnt wurde. Hoheitsrechte der Einzelstaaten über die Kohle- und Stahlindustrie wurden auf die Montanunion übertragen. Sie wurde daher in die Lage versetzt, zum Beispiel selbständig Investitionshilfen zu gewähren, Ausgleichszahlungen zu bewilligen, Erzeugungsbeschränkungen und Preise festzusetzen sowie Wettbewerbsbeschränkungen abzubauen. Die beteiligten Staaten erhofften vom Zusammenschluss der kriegswirtschaftlich wichtigen Grundstoffindustrien Impulse für die Übertragung nationalstaatlicher Rechte auch in anderen Sektoren.
Organe der EGKS waren zunächst die Hohe Behörde, die Gemeinsame Versammlung, der Besondere Ministerrat und der Gerichtshof. Erster Präsident der Hohen Behörde wurde J. Monnet. 1955 nahmen die Außenminister der EGKS-Staaten Verhandlungen über eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und eine Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) auf. 1957 wurden in Rom die EWG- und EURATOM-Verträge unterschrieben. Damit wurde auch die parlamentarische Versammlung als gemeinsames parlamentarisches Organ der drei Gemeinschaften EGKS, EURATOM und EWG bestimmt und der Europäische Gerichtshof als ihr gemeinsames Justizorgan. Am 1. 7. 1967 wurden EGKS, EWG und EURATOM fusioniert. Der Zusammenschluss hieß nun Europäische Gemeinschaften (EG). Die Hohe Behörde der EGKS ging in der Kommission der EG auf, der Besondere Ministerrat im Rat der EG.
Durch den industriellen Strukturwandel in Europa büßte die Montanindustrie ihre führende Rolle im Laufe der Zeit immer mehr ein, was auch den Stellenwert der Montanunion beeinträchtigte. Die mit dem Maastrichter Vertrag (Vertrag über die Europäische Union) von 1992 verbundenen Änderungen und Ergänzungen der drei Gründungsverträge der EG machten die EGKS bzw. Montanunion zum integrativen Bestandteil der Europäischen Union.
Euratom, Abkürzung für Europäische Atomgemeinschaft, von den Mitgliedstaaten der Montanunion durch Vertrag vom 25. 3. 1957 (in Kraft seit 1. 1. 1958) begründeter gemeinsamer Markt für Kernbrennstoffe und Ausrüstungen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie. Die Euratom ist eine Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit unter dem Dach der Europäischen Union.