Bismarck,
Otto von Bismarck-Schönhausen, 1865 Graf Bismarck, 1871 Fürst Bismarck 1890 Herzog von Lauenburg; Gründer und erster Kanzler des Deutschen Reiches von 1871; * 1. 4. 1815 Schönhausen bei Stendal, † 30. 7. 1898 Friedrichsruh, Kreis Herzogtum Lauenburg; verheiratet mit Johanna von Bismarck; 1847 konservatives Mitglied des preußischen Vereinigten Landtags, 1849/50 der 2. Kammer des preußischen Landtags und des Erfurter Parlaments; 1851.1859 preußischer Gesandter am Bundestag in Frankfurt am Main, 1859-1862 in Petersburg, 1862 in Paris; 1862-1890 preußischer Ministerpräsident, 1867-1871 zugleich Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes, 1871-1890 Reichskanzler.

Von König Wilhelm I. im Verfassungskonflikt zum Ministerpräsidenten berufen, vermochte Bismarck die Autorität der Monarchie gegen das Parlament durchzusetzen. Überzeugt von der Unmöglichkeit eines dauernden Nebeneinanders der beiden Mächte Österreich und Preußen im Deutschen Bund, zielte Bismarck auf das Ausscheiden Österreichs und auf die Vorherrschaft Preußens in Deutschland. 1864 gelang es ihm, unter Umgehung des Deutschen Bundes, Österreich zur Beteiligung am Deutsch-Dänischen Krieg zu veranlassen, der letztlich auf die Annexion Schlewigs und Holsteins durch Preußen gerichtet war. Als es über die Verwaltung der eroberten Herzogtümer zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Siegern kam, begann Bismarck eine gewaltsame Lösung der deutschen Frage in Aussicht zu nehmen. Er betrieb die militärische Konfrontation gegen Österreich. Durch den preußischen Sieg im Deutschen Krieg von 1866 war der Deutsche Bund aufgelöst und Österreich aus den deutschen Verhältnissen ausgeschaltet. Bismarck setzte gegen schwerste Widerstände Wilhelms I. die Annexion nicht nur Schleswigs und Holsteins, sondern auch Hannovers, Kurhessens, Nassaus und Frankfurts durch, gründete den Norddeutschen Bund, schloss mit den süddeutschen Staaten Schutz- und Trutzbündnisse und bezog sie in den Deutschen Zollverein mit ein. Infolge der Stärkung Preußens steigerten sich die deutsch-französischen Gegensätze so, dass die spanische Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen, von Bismarck insgeheim gefördert und diplomatisch hochgespielt zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 führte. In gleichzeitigen zähen Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten erreichte Bismarck vorbereitend ihren Beitritt zum Norddeutschen Bund. Seine Bemühungen gipfelten nach dem Sieg der deutschen Truppen in der Kaiserproklamation Wilhelms I. am 18. 1. 1871 in Versailles und der Gründung des Deutschen Reiches.

Von jetzt an war es Bismarcks Bestreben, das neue Kräfteverhältnis in Europa durch Isolierung Frankreichs im Zusammengehen mit Russland und Österreich-Ungarn diplomatisch zu sichern. Seine Vermittlung zwischen Russland, Österreich-Ungarn und England nach dem Russisch-Türkischen Krieg (Berliner Kongress 1878) führte infolge scharfer russischer Gegnerschaft gegen dessen Ergebnisse 1879 zum deutsch-österreichischen Zweibund, der 1882 durch den Beitritt Italiens zum Dreibund wurde, dem sich 1884 auch Rumänien verband. 1887 schloss Bismarck den Rückversicherungsvertrag mit Russland und förderte zugleich das Mittelmeerabkommen zwischen Österreich-Ungarn, Italien und England.

Während Bismarck sich in der Außenpolitik zu einem Staatsmann von Weltbedeutung entwickelte, konnte er sich in der Innenpolitik nicht von seiner konservativen Herkunft lösen. Im Verfassungskonflikt fügte er dem Gedanken des Rechtsstaats durch seine Kampfweise Schaden zu. Wenn Bismarck zunächst auch die Nationalliberalen für sich gewann, so verlor er deren Unterstützung wieder (1877), als er sich weigerte, Elemente parlamentarischer Ministerverantwortlichkeit in die Reichsverfassung aufzunehmen. Der Kulturkampf (1872-1878) führte ebenfalls zu einer Schwächung sowohl des Staates wie des Liberalismus. Bismarcks Kampf gegen die Sozialdemokratie (Sozialistengesetz 1878) hat diese eher gefestigt. Die große Leistung der Sozialgesetzgebung (Kaiserliche Botschaft 1881) konnte Arbeiterschaft und Staat nicht versöhnen, zumal Bismarck ihren durch Wilhelm II. geforderten Ausbau zu einer Arbeitsschutzgesetzgebung ablehnte.

Die unwürdige Form seiner Entlassung (20. 3. 1890) durch Wilhelm II. brachte Bismarck in offenen Gegensatz zur Regierung des jungen Kaisers, vor allem gegen den „Neuen Kurs” in der Außenpolitik (Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrags). Die Ablehnung von Seiten des offiziellen Deutschlands wurde jedoch mehr als ausgeglichen durch das fast ins Mythische wachsende Ansehen des Reichsgründers („Eiserner Kanzler”) im Volk. Bismarcks Memoiren „Gedanken und Erinnerungen” sind bedeutend als Quelle und als schriftstellerische Leistung.

Quelle: Bertelsmann Lexika