Der Solfkreis
Widerstand
gegen den Naziterror
Konrad Weber im Juli 2009
- Völlig anders
als die "Rote Kapelle" oder "Der Kreisauer Kreis" war
im Vorfeld des "20. Juli 1944" in Berlin der Solfkreis zusammengesetzt.
Hier trafen sich regelmäßig ehemalige und aktive Diplomaten, Offiziere der
Abwehr und Männer und Frauen aus Kunst und Kultur zum Gedankenaustausch
in einer "Teegesellschaft". Mittelpunkt des Kreises war Johanna
Solf, (Foto) die Witwe des ehemaligen Botschafters in Samoa und Tokio und
ihre Tochter mit dem samoanischen Vornamen Lagi (Himmel), Gräfin von Ballestrem. Der Solfkreis wollte kein
Attentat oder einen Staatsstreich durchführen. Über die Ablehnung des braunen
Terrorstaates bestand allerdings Einigkeit. Man verstand sich eher als eine
Art Hilfsgemeinschaft für Verfolgte, für Kritiker und Gegner des NS Staates;
also als eine Insel des freimütigen Wortes und der Humanität. Einzelne unterhielten
sich in alten Sprachen wie Latein oder Griechisch. Ein Kreis gepflegter
schöngeistiger Unterhaltung.
Durch sehr gute
Kontakte ins Ausland, verhalf die Gruppe Naziverfolgten, vornehmlich
Juden, zur Flucht. Zu dieser Teegesellschaft gehörte der Diplomat Otto
Carl Kiep, der Chirurg Dr. Ferdinand Mainzer, der Schriftsteller
Carl Zuckmayer, Richard Kuenzer, Albrecht Graf von Bernstorff, Karl Ludwig
von und zu Guttenberg, kirchliche Würdenträger und Andere. Kaum
bekannt ist dagegen Prof. Dr. Dr. Friedrich Erxleben,
ein hochgebildeter katholischer Priester aus Arenberg (bei Koblenz am Rhein), der im Solfkreis
ein gern gesehener Gast war. Sein enger Freund Carl Zuckmayer hat ihn später
in seinem Buch "Als wär‘s ein Stück von mir" so beschrieben:
"Obwohl noch nicht ganz Fünfzig, wirkte er alters- und zeitlos; einerseits
wie das Bildnis eines alten und weisen Erzabtes, andererseits wie ein Mann
von jugendlichem Feuer. In ihm verbanden sich Frömmigkeit, echter unbeirrbarer
Glaube so sehr mit hoher Intelligenz und geistiger Aufgeschlossenheit, ohne
dass man je einen Bruch oder Zwiespalt bei ihm empfand". Pfarrer Erxleben
hatte als Polizeiseelsorger zunächst noch Zutritt zum "Staatskrankenhaus
der Polizei“ in der Berliner Scharnhorststraße. Dort hat er nicht selten
von der SA zusammengeschlagene Opfer betreut". Nachdem die Gestapo1 am 10.
September 1943 den Spitzel und Arzt Dr. Paul Reckzeh in den Solfkreis eingeschleust
hatte, wurden am 12. Januar 1943 mehrere Mitglieder verhaftet. Paul Reckzeh
bezeichnete Friedrich Erxleben im Prozess, als die "treibende
Kraft" bei den defätistischen2 Unterhaltungen im Hause Solf.
Helmuth James Graf von Moltke Begründer des "Kreisauer Kreises"
wollte seinen Freund Kiep vor der drohenden Verhaftung warnen. Am
19. Januar führte das zu Moltkes eigener Verhaftung. Hilger
van Scherpenberg wurde vom Volksgerichtshof zu zwei Jahren Haft verurteilt. Am
Mo. 12 Januar wurde
Irmgard Zarden zusammen mit ihrem Vater Arthur von der Gestapo
verhaftet, sie wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen, Ihr Vater
Arthur Zarden beging am 18. Januar 1944 Selbstmord.
Ebenfalls
am 12. Januar 1944 sind Johanna Solf und ihrer Tochter Lagi verhaftet worden. Nach
einer Odyssee durch mehrere Gefängnisse und tagelangen Verhören quer durch
Deutschland, wurden sie später im Frauen-KZ Ravensbrück
unter entwürdigenden Bedingungen eingesperrt. Friedrich
Erxleben ist am Mi. 17. Mai 1944 verhaftet worden, auch er wurde im KZ Ravensbrück
eingesperrt und dort unter verschärften
Vernehmungen gefoltert. Friedrich Erxleben berichtete später einem Freund, er
sei wochenlang in einen eisernen Käfig eingesperrt worden, wo er weder sitzen
noch liegen konnte. Danach kam er in das Gefängnis Lehrter Straße in Berlin.
Während Elisabeth von Thadden, Otto Carl Kiep und Nikolaus von Halem
vom Volksgerichtshof durch Roland Freisler zum Tode verurteilt und hingerichtet
wurden, kam eine für den 28. April 1945 (zehn Tage vor der Kapitulation)
angesetzte Verhandlung und Verurteilung für Johanna Solf, Ihre Tochter
Lagi Gräfin von Ballestrem, Friedrich Erxleben, Dr. Maria Gräfin
von Maltzan und weitere Mitglieder des Solfkreises nicht mehr zustande3.
Dr. Friedrich Erxleben und die anderen Angeklagten hätten mit der
Todesstrafe wegen Hochverrats rechnen müssen. In den Wirren während der
Eroberung Berlins durch die Rote Armee, konnte er fliehen, wurde zunächst
aber von der russischen Armee wieder eingesperrt. Friedrich Erxleben,
der mit Theodor Heuss, Albert Einstein und vielen Kulturschaffenden
der damaligen Zeit befreundet war, hat später nie über die verschärften
Vernehmungen (Folter) bei der Gestapo gesprochen. Ein Mann wie er und ebenso
mancher andere, Gewerkschafter, Kirchenleute und Kommunisten, verdienten
eigentlich mehr als nur Fußnoten in der Geschichte des deutschen Widerstandes
zu sein.
Prälat Wolfgang Knauft sagte im Schlusswort seines Vortrags unter
dem Titel: "Der 20. Juli mit und ohne Christen" in Berlin:
"Diejenigen, die zur Elite der deutschen Nation gehörten und
ihr Leben einem besseren Deutschland verschrieben haben und dafür zu sterben
bereit waren, verdienen diese ehrende Erinnerung. Andernfalls wären sie
zum zweiten Mal zum Tode verurteilt: zum Tod durch Vergessen".
Nachtrag:
Ein
Sonderkommando des Reichssicherheitshauptamtes ermordete in der Nacht vom
23. auf den 24. April 1945 unter ungeklärten Umständen4, in der
Nähe des Berliner Gefängnisses, in der Lehrter Straße, die Mitglieder des
Solfkreises Dr. Karl Ludwig von und zu Guttenberg5, den Legationsrat
Richard Kuenzer und den Botschaftsrat Albrecht Graf von Bernstorff.
Von den Nazis und deren "Rollkommandos" 6 sind nahezu
70 Mitglieder des Solfkreises
ermordet worden.
- Was Menschen,
Menschen antun können schildert uns Johanna Solf, die die Nazidiktatur überlebt
und der Nachwelt die bewegende "Denkschrift
über meine Haft", auch als Mahnung gegen das "Vergessen"
hinterlassen hat. Johanna Solf *14. Nov. 1887 + 4. Nov.1954 in Starnberg,
hat 1946 beim Nürnberger Kriegsverbrechertribunal gegen die Nazis als
Zeugin ausgesagt
An dieser Stelle sei auch
an die 12000 Männer und 1100 Frauen erinnert, die
im Widerstand gegen die Nazis "Im Namen des Volkes" ermordet
wurden. Stellvertretend für alle sei an ein Mitglied der "Roten Kapelle",
der Halbjüdin Maria Terwiel aus Boppard am Rhein (später Berlin)
erinnert, Sie kopierte auf ihrer Schreibmaschine,
in hunderten von Exemplaren, den Protest des Kardinals von Galen in seinen viel
beachteten Predigten zu den
Euthanasiegesetzen und sorgte für deren Verbreitung.
Die Nazis hatten
in Berlin eine Ausstellung unter dem Titel "Ständige Ausstellung das
Arbeiterparadies" organisiert, sie wollten die Sowjets und das
Arbeiterparadies lächerlich machen
Eines morgens (1942) rieben sich die Berliner verwundert die Augen. Maria
Terwiel hatte das Thema umgedreht, es klebten vielerorts
Hinweiszettel an den Wänden:
„Ständige
Ausstellung Das Naziparadies – Krieg – Hunger – Lüge – Gestapo - wie lange
noch?“
Maria Terwiel wurde für ihren mutigen Protest von den
Nazis am Do. 5. August 1943 auf dem Schafott hingerichtet. Ein Gnadengesuch
der Familie und Freunde hat A. Hitler persönlich schroff abgelehnt.
- 1)
Gestapo, Abk. für Geheime Staatspolizei.
2)
Defätismus, Zweifel am Endsieg; wurde von den Nazis im 2. Weltkrieg hart
bestraft (Wehrkraftzersetzung u. Feindbegünstigung).
3) Der "Blutrichter"
Roland Freilser wurde bei einem Bombenangriff, am 3. Febr. 1945 auf Berlin, von einem herabstürzenden Balken erschlagen, aber auch wichtige Prozessakten gingen
verloren. Die dadurch entstandene Verzögerung des Verfahrens rettete den
noch lebenden Angeklagten des Solfkreises das Leben.
4) Eine perfide Methode der
Nazis, Gegner des Systems zu vernichten, war "auf der Flucht
zu erschießen"; man bot den Opfern eine inszenierte Fluchtmöglichkeit. Leider
sind viele diesem infamen Trick zum Opfer gefallen. Das Datum dieses sinnlosen
Mordes der Nazis lag nur vierzehn Tage vor der Kapitulation am 8. Mai 1945.
Der Nazi-Marinerichter Hans Filbinger, später Ministerpräsident von Baden-Württemberg,
ließ noch zwei Tage!!! vor Kriegsende einen Soldaten hinrichten.
5) Dr.
Karl Ludwig von und zu Guttenberg war der Urgroßonkel des Bundes-Wirtschaftsministers (Juli
2009)
Dr. Karl-Theodor von Guttenberg (der Dr. Titel wurde ihm 2011 von der Uni
Bayreuth wegen Plagiatsvorwürfen aberkannt).
6) Rollkommandos, (SA) (SS) waren die berüchtigte
schnelle
"Eingreiftruppe" der Nazis meist auf Motorrädern, die Systemgegner
in verbrecherrischer Weise einfach ermordeten oder zusammenschlugen, nach
heutigem Verständnis, organisierte
Kriminalität.
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